Donnerstag, 7. April 2005

Klüger werden mit dem Hanf Journal – Dr. med. Franjo Grotenhermen klärt auf

Schadet Cannabis-Konsum während Schwangerschaft und Stillzeit meinem Kind?

Es gibt Wissenschaftler, die der Auffassung sind, dass der mütterliche
Cannabis-Konsum das Ungeborene nicht relevant schädigt. Cannabis kann
jedoch möglicherweise die geistige Entwicklung der exponierten Kinder
beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigungen sind vermutlich erst im
Schulalter messbar.
In den ersten zwei bis drei Wochen der Schwangerschaft können Drogen
dem Embryo noch nicht schaden. Es hat sich noch keine ausreichende
Verbindung zwischen dem mütterlichen Blut, in dem sich mögliche
Schadstoffe (inklusive Drogen) befinden, und dem Embryo ausgebildet.
Dies bedeutet im Allgemeinen, dass bis zu dem Zeitpunkt, an dem die
Schwangerschaft bekannt wird, noch keine relevante Schädigung durch
Drogen erfolgen konnte. Die Stärke einer möglichen Schädigung des
Embryos und Fetus im weiteren Verlauf der Schwangerschaft fällt für
verschiedene Drogen unterschiedlich aus. Die stärksten Schädigungen
werden nach Nikotin- und Alkoholkonsum beobachtet. Beide Drogen können
das fetale Wachstum beeinträchtigen und die geistige Entwicklung
verzögern. Hinsichtlich Cannabis heißt es in einer Übersicht aus dem
Jahr 2003, er habe „keine konsistenten Wirkungen auf die Nachkommen“.
Cannabinoide überwinden die so genannte Plazenta-Schranke. Damit wird
die Schutzbarriere zwischen dem mütterlichen und fetalen Blutkreislauf
im Mutterkuchen (Plazenta) bezeichnet. Die THC-Konzentration im fetalen
Blut ist allerdings niedriger als im mütterlichen. THC bindet sich an
Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn des sich entwickelnden Neugeborenen
und kann so die Entwicklung verschiedener Systeme von
Nervenüberträgerstoffen (Neurotransmitter) und damit spätere
Verhaltensmuster beeinflussen.
In einigen Untersuchungen fanden sich kurz nach der Geburt leichte
Entzugssymptome. Möglicherweise bestehen auch in der Folgezeit
geringfügige neurologische Defizite. Es gibt zur Zeit zwei
Langzeitstudien: Eine an der Universität von Ottawa (Kanada) und eine
weitere an der Universität von Pittsburgh (USA), in beiden werden
Kinder über viele Jahre begleitet, die im Mutterleib Cannabinoiden
ausgesetzt waren. Die Nachkommen in der kanadischen Studie sind
mittlerweile älter als zwanzig Jahre, die in der amerikanischen Studie
älter als zehn Jahre.
In der kanadischen Studie war die allgemeine Intelligenz der Kinder im
Alter von vier bis sechs Jahren normal, es fanden sich jedoch leichte
Auffälligkeiten bei den sprachlichen Fähigkeiten und dem Gedächtnis. Im
Alter von neun bis zwölf Jahren war ihre Sprech- und Lesefähigkeit so
gut wie bei den anderen Kindern, jedoch wurden leichte Defizite bei
visuellen Problemlösungs-Situationen festgestellt. Im späteren
Lebensalter fanden die Forscher eine leichte Verschlechterung der so
genannten „exekutiven Funktion“. Der Begriff der exekutiven Funktion
bezeichnet eine Anzahl verhaltensbezogener und geistiger Fähigkeiten
und umfasst geistige Flexibilität bei Problemlösungen, fokussierte
Aufmerksamkeit, Selbstkontrolle und die Selbstregulierung des eigenen
Verhaltens. Eine Cannabis-Exposition vor der Geburt scheint die globale
Intelligenz nicht zu beeinflussen, könnte nach dieser Untersuchung
jedoch komplexe geistige Fähigkeiten beeinträchtigen, die auf der
Integration verschiedener mentaler Aspekte beruhen.
Der bekannte amerikanische, mittlerweile verstorbene Professor Leo
Hollister bemerkte in einem Übersichtsbeitrag aus dem Jahre 1998, dass
Cannabis-Konsum während der Schwangerschaft nicht empfohlen werden
sollte, „obwohl die Konsequenzen nicht größer sind als die des
Tabak-Rauchens und weit geringer als die des Alkohol-Konsums“. Ich
schließe mich der Einschätzung von Professor Hollister an. Gegen einen
gelegentlichen Joint während der Schwangerschaft ist vom medizinischen
Standpunkt aus nichts einzuwenden. Ein regelmäßiger Konsum sollte aber
vermieden werden. Bei einer entsprechenden medizinischen Indikation,
wie etwa Schwangerschaftserbrechen, ist Cannabis allerdings vermutlich
ein für das Ungeborene vergleichsweise wenig schädliches Medikament,
wenn es nicht zu hoch dosiert wird.
THC gelangt stark verdünnt auch in die Muttermilch. In einer Studie mit
Affen gelangten 0,2 Prozent des von der Mutter aufgenommenen THC in die
Milch. Wenn eine Mutter täglich ein bis zwei Cannabis-Zigaretten raucht
und das Neugeborene etwa 700 Milliliter trinkt, dann nimmt es etwa 0,01
bis 0,1 Milligramm THC auf. Das ist eine sehr geringe Menge. Ein
gewohnheitsmäßiger Konsum sollte allerdings vermieden werden, da das
Gehirn des Neugeborenen in seiner Entwicklung möglichst wenig gestört
werden sollte.

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