Donnerstag, 27. Januar 2005

Präventiere sich, wer kann

Über die Fachtagung im Bundes-Gesundheits-Ministerium

Die diesjährige Medienhysterie über bekiffte Schüler und
Psychiatrie-Patienten gipfelte Ende November in einer Fachtagung des
Bundes-Gesundheits-Ministeriums, auf der viele Experten zum Thema
„Cannabis-Prävention“ diskutierten. Georg Wurth, Geschäftsführer des
DHV, schildert uns hier seine Position zu diesem Thema:

Therapie-Mafia?
Viele von uns halten Prävention und Behandlung von Cannabis-„Patienten“
für vollkommen unnötig und sprechen von der Therapie-Mafia, die auch
das Cannabis-Klientel braucht, um viel Geld zu verdienen. Und
tatsächlich gibt es einige handfeste Kritik an den Bemühungen der
Therapeuten. So basiert das Regierungsprogramm FreD (Frühintervention
bei erstauffälligen Drogenkonsumenten) auch darauf, dass das
Justizsystem bei Verfahren die Betroffenen in die Kurse drängt. So
werden sie nicht nur früh „behandelt“, sondern auch früh stigmatisiert.
Auch die klassischen Drogenberatungen werden mehr und mehr von Kiffern
aufgesucht, weil sie von Eltern, Lehrern etc. dorthin geschickt werden,
obwohl viele von ihnen gar kein Problem mit ihrem Konsum haben. Und ob
Präventivmaßnahmen wie Schulbesuche oder Broschüren überhaupt
irgendeinen positiven Effekt haben, ist zumindest unklar. Und dann gibt
es noch die völlig unglaubwürdigen Plakataktionen wie „Keine Macht den
Drogen“ oder „Horrorplakate“ von Thomasius, s. Bild.

Um wen geht es eigentlich?
Die Wissenschaftler der Fachtagung waren sich jedenfalls einig, dass es
um einen recht kleinen Teil der Kiffer geht, die anscheinend Hilfe
gebrauchen könnten, nämlich diejenigen, die eine psychische
Abhängigkeit entwickelt haben oder diejenigen, bei denen psychische
Störungen mit dem Cannabis-Konsum einhergehen. Die riesige Mehrheit der
unproblematischen Cannabis-Konsumenten blieb im Weiteren unbeachtet.

Was tun?
Kaum jemand wird behaupten, dass es mit Hanf keinerlei Probleme geben
kann. Beinahe jeder kennt jemanden, bei dem übermäßiges Kiffen negative
Auswirkungen hat. Wie soll man nun mit diesen Problemen umgehen, wenn
die meisten Präventions- und Behandlungsansätze wenig Erfolg
versprechen?
Bei der Behandlung gibt es verschiedene interessante Ansätze: So gibt
es Versuche, diese „Patienten“ im Internet anzusprechen. So sinkt die
Hemmschwelle und eine Beratung mit Therapeuten im Internet-Chat reicht
für viele Kiffer zunächst mal aus, s. z. B. www.drugcom.de. Wichtig ist
in jedem Fall, bei der „Therapie“ zu beachten, dass Cannabis bei den
Problem-Usern fast immer nur eine Randerscheinung ist, die mit anderen
Problemen einhergeht, die es beim Betroffenen zu bearbeiten gilt.
Was die Prävention angeht, halte ich es für einen großen Fehler, nur
die problematischen Konsumenten zu betrachten. So wird versucht, mit
überzogenen Warnungen den Einstieg in den Cannabis-Konsum möglichst zu
verhindern oder zu beenden. Gerade dieser Ansatz ist aber unglaubwürdig
und hat offensichtlich keinerlei Erfolg. Viel sinnvoller fände ich es,
zu schauen, wie die 95 Prozent der Cannabis-Konsumenten mit dem Stoff
umgehen, die keine Probleme entwickeln. Da praktisch kein Mensch in
seinem Leben abstinent bleibt, kann es nur darum gehen, einen
kontrollierten genussvollen Konsum zu lernen, anstatt z. B. Probleme
mit Extremkonsum loswerden zu wollen. Das gilt letztendlich auch für
Alkohol und alle möglichen anderen Genussmittel.

Verbote behindern Prävention und Behandlung
Die Fachtagung sollte sich in keiner Weise mit der Strafverfolgung der
Konsumenten befassen. Aber wie soll ein Kiffer Vertrauen zu einem
Drogen-Beratungssystem aufbauen, das den gleichen Staat vertritt, der
ihn an anderer Stelle polizeilich verfolgt? Das beschert Menschen mit
Cannabis-Problemen nur weitere Probleme und die riesige Mehrheit der
problemfreien Konsumenten wird gleich mit verfolgt. Das ist nicht
akzeptabel.

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