Samstag, 9. Oktober 2004

Cannabis-Mythen – Cannabis-Fakten

Buchbesprechung

Zum Thema Cannabis, Wissenschaftund Politik ist im Nachtschatten Verlag ein wirklich lesenswertes Fachbucherschienen, in dem nicht nur die Wirkungen und Nebenwirkungen von Cannabis,sondern vor allem die Wirkungen und Nebenwirkungen der (un)wissenschaftlichenCannabis-Diskussion analysiert werden. In dem Buch „Cannabis-Mythen –Cannabis-Fakten“ von Lynn Zimmer, John P. Morgan und Mathias Bröckers findetman eine hervorragende Analyse der wissenschaftlichen Diskussion bezüglich derEffekte, die Cannabis auslösen kann. Zur Geschichte und zum Klima derpolitischen, juristischen und präventiven Diskussion betreff Cannabis in denUSA und in Europa findet man eine Fülle von Fakten, die deutlich aufzeigen,dass die Leitlinien im öffentlichen Diskurs weit mehr von Mythen und Schauermärchenals von Tatsachen geprägt sind. Keine andere drogenpolitische Debatte wird seitJahrzehnten mit vergleichbarer Vehemenz, ja bisweilen Erbitterung geführt. DasBuch zeigt vielfältige Ursachen und Hintergründe zur verfahrenen Situation inder heutigen Debatte um Cannabis als Medizin und als Genussmittel.

 

Die New Yorker Autoren LynnZimmer und John P. Morgan, Professoren der Soziologie bzw. der Pharmakologie,halten sich bei diesem Buch an die strengen Kriterien wissenschaftlicherArbeiten. Sie belegen jede ihrer Aussagen mit exakten Quellenangaben – dieLiteraturliste umfasst mehr als 60 Seiten. Mathias Bröckers, der zusammen mitJack Herer den richtungsweisenden Bestseller „Die Wiederentdeckung derNutzpflanze Hanf“ herausgegeben hat, ist auch Mitherausgeber derdeutschsprachigen Ausgabe des Buches. Er berücksichtigt in seinem Part diehiesigen Rechtsverhältnisse und Besonderheiten sowie die jüngstenForschungsberichte aus dem europäischen Raum. Das Werk ist eineenthmythologisierende und wissenschaftlich fundierte Neubewertung derCannabis-Diskussion, die mit den vorherrschenden Klischees aufräumt und eineobjektivere Meinungsbildung zulässt. Dieses Buch war seit langem überfällig undsollte nicht nur von Drogenbeauftragten – vondiesen jedoch ganz besonders –aufmerksam studiert werden.

 

Jeder Richter, der Angeklagtewegen Cannabis verurteilt, jeder Politiker, der die Gesetzesgrundlagen fürdiese Urteile schafft, jeder Arzt, Polizist oder Sozialtherapeut, der unterdiesen Gesetzen arbeitet, sollte dieses Buch lesen. Und ginge es mit rechtenDingen zu, müsste er es eigentlich längst gelesen haben. Oder kann estatsächlich angehen, dass jahrein, jahraus weltweit Millionen Gerichtsverfahrengeführt, Tausende Jahre Gefängnis verhängt, Vermögen beschlagnahmt, Geldstrafenausgesprochen werden – und all dies auf Grundlage eines Mythos, eines Glaubens,eines Märchens? Es kann, und zwar seit vielen Jahrzehnten. Genauer: seitAnbeginn der neuzeitlichen Prohibition von Cannabis, seit den 30er-Jahren inden USA. Von seinem Ruf als „Killerweed“, als „Mörder der Jugend“ und als„gefährlichstes aller Rauschgifte“, der dem Hanf damals angedichtet wurde, hater sich bis heute nicht erholt. Die erste Propagandaschlacht, die wirheute als„Krieg gegen Drogen“ kennen, war der Prohibition der Hanf-Pflanze gewidmet. DieLügen dieses PR-Feldzuges sind immer noch tief im öffentlichenUnterbewusstsein. Dass diese Mythen weiterleben, hat damit zu tun, dass diesenicht auf Rationalität und Vernunft beruhen, sondern auf dogmatischem Glauben.

 


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