Montag, 4. Oktober 2010

Bis an die Schmerzgrenze

und darüber hinaus:
Gestrecktes Gras als Gefahr für Millionen

Die Kalifornier/innen dürfen kommenden Monat über die Legalisierung von Cannabis abstimmen, in Österreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Spanien, Portugal oder Tschechien wird der Anbau von ein paar Hanfpflanzen für den eigenen Bedarf toleriert oder nur noch mit Geldbußen versehen, während die Hanfraucher/innen hierzulande immer noch meist auf den Schwarzmarkt angewiesen sind. Denn anders als unsere Drogenbeauftragte behauptet, werden Menschen, die ein paar Hanfpflanzen für den eigenen Bedarf anbauen, weitaus härter bestraft als solche, die eine Geringe Menge Gras besitzen.
Der illegale Schwarzmarkt bietet jedoch immer mehr Cannabisprodukte mit gesundheitsgefährdenden Beimischungen an, die die Gewinne der Verkäufer steigern und als netten Nebeneffekt die zu erwartende Strafe, sollte man erwischt werden, geringer ausfallen lässt. Denn 100 Gramm gestrecktes Gras enthalten weniger THC als die gleiche Menge ungestrecktes, und nur darauf kommt es beim Strafmaß an. Strafen für’s Strecken gibt es, anders als bei legalen Drogen, nicht.
Anscheinend hat sogar das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen weiter reichende Erkenntnisse (siehe Bericht Seite 21), veröffentlicht sie aber aus uns unbekannten Gründen bis dato nicht. Ein arrogantes „Selbst Schuld, wenn man kifft“ ist alles, was die Politik dazu zu sagen hat, selbst eine lapidare Warnung vor gesundheitsschädlichen Streckmitteln könne laut der Drogenbeauftragten als „Aufforderung zum Konsum“ mißverstanden werden.
Geändert hat sich seit 2007 nichts, im Gegenteil: Der Streckmittelmelder des DHV wird stärker frequentiert als je zuvor, auch die Auswertung unserer Umfrage auf Seite 21 lässt ebenso Schlimmes vermuten. Wieso also wird dieses Thema, obwohl seit über drei Jahren aktuell und auch immer wieder von den großen Medien aufgegriffen, von der Politik tot geschwiegen?
Weil eine öffentliche Warnung zu Streckmitteln in Cannabis, anders als bei Heroin oder Koks, die öffentliche Diskussion über eine Legalisierung neu entfachen könnte. Die kann man aber nur verlieren, weil, mehr als je zuvor, die Argumente fehlen. Ein Blick über den großen Teich reicht, um vorauszuahnen, was passieren wird, wenn das Thema Cannabislegalierung auch hier wieder Gegenstand einer öffentlichen Diskussion würde.
Mediziner und Wissenschaftler sind sich mittlerweile einig, dass ein Cannabisverbot mehr schadet als nützt – so einig, dass die dort unabhängigen staatlichen Drogenberater in Großbritannien, reihenweise gefeuert werden oder zurücktreten. Bei uns geht die Regierung erst gar nicht das Risiko ein, das Gefahrenpotenzial von Drogen von Wissenschaftlern bewerten zu lassen, in Deutschland sind Politiker ohne Vor- oder Fachwissen dafür zuständig. In Berlin weiß man ganz genau, dass das große Lügengerüst, auf dem die Drogenpolitik und hier insbesondere die Cannabisprohibition basiert, bei dem heutigen Informations- und Vernetzungsstand der Bevölkerung schnell zusammenbrechen könnte, sobald Emotionen durch rationales Denken ersetzt werden.
Bedenkt man noch, dass weltweit agierende Terrornetzwerke und Drogenkartelle 500 Milliarden US$ aus dem Geschäft mit der Gier nach Rausch einnehmen, so erscheint es noch viel unglaublicher, dass dieser Kreislauf durch seit 40 Jahren unwirksame Gesetze weiterhin angeheizt wird. Matthias Bröckers fasst es in seinem neuen Buch „Die Drogenlüge – Warum Drogenverbote den Terrorismus fördern und Ihrer Gesundheit schaden“ treffend zusammen: „[…]Dass die Ökonomie des Terrors nicht von Mitüberweisungen und Kleinspenden gefüttert wird, ist zwar alles andere als ein Geheimnis, wird aber dennoch nicht thematisiert[…].“
Diese Tatsache hat ganz direkt etwas mit dem Status unseres Feierabendjoints zu tun. Viele, die nur „Bio“ oder „Fair Trade“ kaufen, sind bei der Auswahl ihrer Grasquelle weniger wählerisch, aber: Während man schön entspannt vor der Glotze seine wohlverdiente Tüte raucht, vermengen korrupte Großdealer zwei Kilo Gras aus Profitgier mit allem, was glänzt, in Mexiko stirbt ein Journalist, der kritisch berichtet, in Afghanistan wird ein Hanf-Bauer bei einem „Road Block“ erschossen und einen Tag später zerbombt dessen Bruder einen Konvoi der Bundeswehr. In der gleichen Zeit werden in Deutschland zehn kleine Hanfbauern verhaftet, deren Gras nie und nimmer in den Handel käme.

Komplexe Zusammenhänge sind aber schwerer vermittelbar als das zur Zeit geltende schwarz/weiß Schema: „Gute Droge – böse Droge“ und so nimmt man verbleite Cannabiskonsumenten als Kollateralschaden im War on Drugs einfach hin.
Dazu gibt es Propaganda passend zum Feindbild: „Selbst Schuld an der Bleivergiftung“ klingt wie „Keiner hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“: Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte.

Nicht nur im Osten.

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