Montag, 20. Januar 2020

Israel und Russland wegen 9,6 Gramm Cannabis im Clinch

Begnadigt Präsident Wladimir Putin die Israelin Naama Issachar, die wegen Cannabis-Schmuggels zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde?

 

Vor neun Monaten flog die Yoga-Lehrerin Naama Issachar von Indien nach Israel und stieg auf dem Flughafen Moskau-Scheremetjew um. Bei der Kontrolle des aufgegebenen Gepäcks wollen russische Polizeibeamte 9,6 Gramm Cannabis gefunden haben. Die junge Frau, die neben der israelischen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde im Transitbereich des Flughafens festgenommen und kam in Untersuchungshaft. Im Oktober letzten Jahres wurde Naama Issachar in einem Schauprozess vom Stadtgericht in Chimki wegen Cannabis-Schmuggels zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.

 

Israelische Medien munkelten, dass Naama Issachar als Faustpfand diente, um die israelische Regierung daran zu hindern, den inhaftierten russischen Computerhacker Aleksey Burkow der US-amerikanischen Justiz zu überstellen. Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem hatte jedoch entschieden, dem Auslieferungsersuchen der USA stattzugeben, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Mitte November wurde Burkow nach fünfjähriger Haft in Israel an die USA ausgeliefert und Issachar ihrem Schicksal im russischen Strafvollzug überlassen.

 

Kurz vor Weihnachten kam dann die Retourkutsche: Das Moskauer Bezirksgericht entschied, ein Berufungsverfahren nicht zuzulassen, obwohl die mittlerweile 26-Jährige ihr früheres Geständnis zurückgenommen hatte: „Ich habe das Haschisch nicht gekauft. Ich habe es von niemandem genommen und nicht in meine Tasche gepackt.“ Ebenso unberücksichtigt ließen die Richter, dass Naama Issachar überhaupt nicht wusste, was in dem von ihr unterschriebenen Geständnis stand, weil es ihr auf Russisch vorgelegt wurde und kein Übersetzer anwesend war.

 

Der Fall schlägt in Israel hohe Wellen. Mit der Kampagne „Free Naama“ will die Familie gemeinsam mit vielen Unterstützern die Regierung zwingen, auf diplomatischem Weg eine vorzeitige Haftentlassung zu erwirken. Zugleich wird erwogen, bei einem übergeordneten russischen Gericht Berufung gegen das Urteil einzulegen und sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu wenden.

 

Derweil gerät Premierminister Benjamin Netanjahu immer mehr unter Druck. In Israel, wo Cannabis-Konsumenten kaum etwas zu fürchten haben, gibt es eine breite Sympathie für Naama Issachar, der nach dem gescheiterten Berufungsverfahren eine Überstellung in eine russische Strafkolonie droht. Netanjahu weiß, dass er in der Sache „Free Naama“ aktiv werden muss – und das erfolgreich, um mitten im Wahlkampf eine gute Figur zu machen und von seiner Anklage wegen Korruption abzulenken.

 

Letzte Woche zeigte sich Netanjahu nach einem Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zuversichtlich, schon bald eine für beide Seiten einvernehmliche Lösung zu finden. Laut israelischer Presse würden Regierungsvertreter hinter den Kulissen fieberhaft daran arbeiten, alle Weichen für einen Kuhhandel zu stellen, um Issachar aus russischer Haft zu bekommen.

 

Erwartet wird der ausgehandelte „Akt der Gnade“, wenn Putin am Donnerstag anlässlich der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz nach Israel reist. Nach Einschätzung israelischer Polit-Insider wird der Gast aus Russland jedoch nicht mit leeren Händen nach Hause fahren. Im Gegenzug könnte Netanjahu im Syrien-Konflikt einlenken, in dem Russland eine gewichtige militärische Rolle zur Stabilisierung des Machtapparates des Präsidenten Baschar al-Assad spielt.

 

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5 Kommentare
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Harald
4 Jahre zuvor

Was für eine Schande in einer aufgeklärten Welt!!!

Rainer Sikora
4 Jahre zuvor

Armes Opfer.

Achim54
4 Jahre zuvor

Das arme Mädel. Für weniger als 10 Gramm so eine hohe Strafe. Ist echt beschämend. In solche Länder wunde ich nie auch nur einen Fuß setzen. Ich hoffe, dass sie bald frei kommt. Tou toi toi.

Ralph Chaudhry
4 Jahre zuvor

Eine völlig überzogene Strafe ! Eine Geldstrafe wäre akzeptabel, aber keine so extrem lamge Haftstrafe für ein nur kleines Vergehen.

Arno Nym
4 Jahre zuvor

Schreibt mal einen Artikel ob Menschen aufgrund vom BtmG, Asyl bekommen können.
Würde mich mal interessieren.
Schließlich gibt es in Russland keine ausreichende Schmerztherapie, Substitution ist illegal und
Cannabistherapie sowieso.