Dienstag, 18. Juni 2019

Vielfältige Gesamtschau des 2. Weltkriegs

Vor 80 Jahren begann der 2. Weltkrieg – Ein britischer Historiker arbeitet die ganze Geschichte des globalen Weltenbrands gekonnt für Geschichts- und Militärinteressierte auf


Im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung ist es erstaunlich still um die Ereignisse des 2. Weltkriegs geworden. Das war von den maßgeblichen Siegermächten – Sowjetunion, Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich – so nicht gemeint gewesen. Im Gegenteil: Im Zuge der berühmten Konferenz von Potsdam mit ihren vier „Ds“ – Denazifizierung, Demokratisierung, Dezentralisierung und De-Industrialisierung Deutschlands – und der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse hatte sich (West) Deutschland dazu verpflichtet, das kollektive deutsche Gedächtnis an die Gräuel und unmenschlichen Kriegsverbrechen, die von den Deutschen im 2. Weltkrieg verübt worden waren, aufrecht zu erhalten.

Dies funktionierte auch jahrzehntelang erstaunlich gut. So gab es zu beinahe jedem wichtigen Jahrestag eines Kriegsereignisses ein aufeinander abgestimmtes gesamtmediales Gedenken. Im Fernsehen liefen dann beinahe ohne Unterbrechung zahlreiche Dokumentationen über den Krieg, Monats- und Wochenmagazine ließen ihre Leitartikler kräftig die Federn spitzen und auch in den Tageszeitungen fand ein äußerst selbstkritisch-deutsches Gedenken der jeweiligen Ereignisse statt. Deutsche Bundespräsidenten hielten staatsmännische Reden über die deutsche Schuld und die damit verbundene deutsche Verantwortung.

Ebenso war es – auch dies war ein Erbe des 2. Weltkriegs, auf das die Siegermächte die Deutschen verpflichtet hatten – Usus, dass der 2. Weltkrieg in deutschen Schulbüchern in einer Art und Weise dargestellt werden musste, die nicht im Geringsten Zweifel daran aufkommen lassen durften, dass die Alleinschuld des Kriegsausbruchs und die allermeisten und abscheulichsten Kriegsverbrechen von den Nationalsozialisten verübt worden waren. Zudem wurde überall und stetig die Singularität, also die Einzigartigkeit der deutschen Kriegsverbrechen zum Beispiel in Sachen Holocaust herausgestellt.

Nun häuft sich dieses Jahr der Kriegsbeginn zum 80. Mal und von all den oben beschriebenen Merkmalen ist nur noch wenig übrig geblieben. Die Anzahl neuer Buchpublikationen zu diesem Thema ist sehr überschaubar und auch im TV gibt es kaum Sendungen darüber – von neuen Produktionen ganz zu schweigen. Diese Feststellung ist an sich bedenklich, da sie zeigt, dass die deutsche Nation sich nicht mehr einer Erinnerungskultur verpflichtet fühlt und es dadurch passieren kann, dass das Wissen um die Zusammenhänge über den 2. Weltkrieg nach und nach verloren geht.

Noch bedenklicher aber sind einige wenige neue deutsche Veröffentlichungen, die in Richtung Geschichtsrevisionismus gehen, was heißt, dass der 2. Weltkrieg eben nicht mehr nur als deutsche Alleinschuld bewertet und die deutschen Kriegsverbrechen in ihrer Grausamkeit relativiert werden nach dem Motto: im Krieg hat jede Nation ihre eigenen Verbrechen begangen.

Umso erfreulicher ist es, dass jetzt im renommierten C.H. Beck Verlag „Feuersturm“ von dem britischen Historiker Andrew Roberts erschienen ist. Aber auch hier ist ein leichtes Erstaunen angesagt, denn das Buch von Roberts erschien in Großbritannien bereits vor zehn Jahren, also 2009. Hier kann ebenso mit Fug und Recht gefragt werden, wieso es auch anscheinend offensichtlich im Ausland keine neueren Studien und Publikationen über den bisher größten aller Weltenbrände gegeben hat.

Zum Inhalt: Der Beginn des Zweiten Weltkriegs liegt inzwischen also achtzig Jahre zurück, doch seine Folgen sind bis zum heutigen Tage spürbar, auch wenn die Kriegsgeneration langsam aber sicher ausstirbt. Der bekannte britische Historiker Andrew Roberts hat die Ursachen und den Verlauf des globalen Kriegs neu und meisterhaft erzählt. Seine dichte und vor allem sehr quellennahe Darstellung wurde als Meisterwerk gerühmt, das große Anschaulichkeit im Detail mit einem souveränen Überblick über die zahlreichen Kriegsschauplätze verbindet und die Leser von der ersten Seite an fesselt. Insofern kombinieren sich in diesem Werk eine großartige erzählerische Leistung in Form eines mehr als gelungenen Narratives mit großer historischer Detail- und Feinarbeit.
Eine Fragestellung durchzieht das Werk beinahe wie ein roter Faden. Andrew Roberts folgt nämlich der spannenden Frage, warum denn die Achsenmächte (Deutschland, Italien, Rumänien, Ungarn, Japan …) den Krieg verloren. Geschah dies tatsächlich durch strategische Fehler und aus ideologischer Verblendung oder wegen der vehementen Übermacht der Alliierten? Im Mittelpunkt des Buchs steht die Militärgeschichte mit ihren Operationen und Schlachten zu Land, zu Wasser und in der Luft sowie dem Wettlauf der Rüstungsproduktion und Informationsbeschaffung. Dabei gelingt es Roberts sehr gekonnt, alle Kriegsschauplätze – in Europa, Afrika und Asien, im Atlantik und Pazifik – gleichberechtigt darzustellen. Dass Roberts dafür zahlreiche Schlachtfelder besucht hat, ist an vielen Stellen zu bemerken, da dies seiner Darstellung eine mitreißende Anschaulichkeit verleiht. Jedoch verliert er sich nie im Sog der Ereignisse, sondern behält stetig die großen Zusammenhänge im Auge und wechselt virtuos zwischen den diversen, kriegsbestimmenden Ebenen: von den Politikern und Generälen über die Soldaten in Schützengräben und Sandstürmen bis hin zu den unzähligen Opfern dieses größten Krieges aller Zeiten.

„Feuersturm“ ist all jenen zu empfehlen, die sich mit der dunklen Geschichte Deutschlands beschäftigen und dabei gleichzeitig die globalen Ereignisse im Blick behalten wollen. Trotz der knapp 800 Seiten Text kommt bei dem Buch an keiner Stelle Langeweile auf. Das beweist, dass Geschichte spannend und interessant sein kann, ohne dass dabei in einen platten Militarismus verfallen wird. Insofern gibt es von dieser Stelle eine unbedingte Empfehlung das Buch zu lesen. Prädikat: Besonders wertvoll.

Christian Rausch

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2 Kommentare
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Johannes
4 Jahre zuvor

Was hat der Artikel mit Cannabis/Hanf zu tun?

Wird das Hanfjournal nun auch schon für transatlantisches brain washing missbraucht? 🙁
Hat sich Soro’s Open Society Foundation beim HJ “rein”investiert?

Hauptsache der teutsche Deppenmichel pflegt weiter seinen Erbschuld-Kult, dann klappt’s auch weiterhin mit der Cannabis-Prohibition.

BTW: Wie viele Millionen Ureinwohner (Indianer) haben die U$A ermordet?
Ach ja, das ist schon verjährt.

Liebe Grüße, Johannes

echt jetzt
4 Jahre zuvor

Jedes land und jeder der Macht kennen lernt, wird diese nutzen. Ob für gutes oder schlechtes. Ich persönlich habe mit diesen Verbrechen nichts zu tun. Und ob das in Deutschland, der Türkei, Russland, oder den USA passiert, jeder hat mit Verbrechen zu tun. Nicht nur Deutschland. Aktuell die USA mit dem Iran. Bekriegt euch doch alle gegenseitig, mehr könnt ihr anscheinend nicht. Und von einer Seite die sich dringenst mit der Legalisierung beschäftigen sollte, kann ich nicht nachvollziehen, das solch veraltetes Denke und Artikel abgedrukt werden. Kümmert euch bitte um das Hauptanliegen um Frieden in diesem Land zu gewärleisten und hört endlich mal auf die Befölkerung. Diese will keine Kriege. Gibt das Hanf frei, bevor es hier auch noch zu… Weiterlesen »