Freitag, 10. März 2017

Moby Porcelain

Buchtipp

 

Moby Porcelain: Von Christen, Ravern und Alkoholikern

 

 

 

Wer wie ich Ende der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts in der Techno-, Rave- und Trance-Scene groß wurde, kriegt auch heute noch manchmal feuchte Augen, wenn er an die guten, alten Zeiten zurückdenkt. Riesige Events in Techno-Tempeln deutscher Metropolen und coole Rave-Feiern in verlassenen Fabrikhallen auf dem Land dienten nichts selten als Anlass mehrere Tage ohne Schlaf und mit unzähligen Chemikalien im Blut durchzufeiern. Und wer ganz ehrlich ist, der wird zugeben, dass neben dem ganzen chemischen Zeugs die während der Afterhour und des Chill-Outs großzügig konsumierten Kräuter das Highlight eines wilden Partywochenendes waren und eine sanfte Landung ermöglichten.

 

Im Piper Verlag hat nun einer der großen amerikanischen Pioniere der Elektromusik-Ära, „Moby Porcelain“, seine Memoiren herausgegeben. Und das Buch ist ziemlich gut, auch wenn es nicht ganz hält, was es eigentlich verspricht. Denn Moby, genannt nach der berühmten literarischen Figur Moby Dick seines Vorfahren Herman Melville, entspricht nicht ganz dem gängigen Klischee eines Speed-, Ecstasy- und Koks süchtigen Erfolgs DJs, der sich mehr oder weniger wahllos durch die Reihen der ihn verehrenden Raverinnen und Raver vögelt. Moby war nämlich aufrichtiger und überzeugter Christ und als er seine Musikkarriere startete, auch noch Abstinenzler: eine Kombination, die zumindest gewöhnungsbedürftig ist. Klingt je nach Perspektive beinahe zu schön oder zu unspektakulär, um wahr zu sein.

 

Doch nun genauer zum Inhalt der Lektüre: Moby kommt aus einfachsten Verhältnissen in den 80ern vom Land nach New York City und versucht intensiv in der von Crack und der Aids-Epidemie gebeutelten Stadt seine ersten selbst gemixten Kassetten persönlich an den Mann zu bringen. 1991 feiert er mit dem Track »Go« seinen ersten großen Erfolg. Fortan wird er von Musikern und seinen Fans gleichermaßen verehrt und gefeiert. Danach fängt Moby an, in den angesagtesten New Yorker Clubs aufzulegen und tourt pausenlos von einem Rave zum nächsten. Zuvor war er ja wie gesagt jahrelang ein christlicher, enthaltsam lebender und anti-alkoholischer Veganer, der zudem äußerst zart besaitet war und häufig wegen Kleinigkeiten in Tränen ausbrach. Nun, auf der Welle des Erfolgs, stürzt er sich aber in ein Leben voller Alkoholexzesse und Sex. Offen, schonungslos, detailreich und zugleich liebevoll beschreibt er diese Zeit – mit all ihren Höhenflügen und den nie versiegenden Selbstzweifeln. 2001 steht Moby kurz vor seinem größten Erfolg mit dem Album »Play«. Er lässt uns bildhaft eintauchen in die vibrierende Welt der Raves und Clubs und das extreme Leben im New York der 90er. Doch dann folgt der berufliche Absturz, denn auf jedes High folgt bekanntlich ein gnadenloses Runterkommen…

 

„Moby Procelain“ ist eine spannende, lehrreiche Lektüre über einen außergewöhnlichen Künstler, der die elektronische Musik revolutioniert hat. Zugleich ist es ein informatives kulturgeschichtliches Zeugnis über eine musikalische Epoche, die eine ganze Generation geprägt hat. Und wer wie gesagt Teil dieser Bewegung war oder noch ist, sollte das Buch unbedingt lesen. Und sich an die guten alten Zeiten erinnern oder sich auf das kommende Wochenende freuen!

 

Cristian Rausch

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