Samstag, 11. Februar 2017

Nabilon in Deutschland wieder verfügbar

 

Cannabis-Medikament Nabilon in Deutschland wieder* verfügbar

 

 

am Hanftropf

 

Autor: Maximilian Plenert

 

 

Im September 2015 erhielt das Fertigarzneimittel „Canemes“ (Wirkstoff: Nabilon) in Deutschland eine Zulassung. Sie wurde für die Indikation „Behandlung von chemotherapie-bedingter Emesis und Nausea“ erteilt. Indiziert ist Canemes nur „bei jenen Krebs-Patienten, die auf andere antiemetische Behandlungen nicht adäquat ansprechen“.

 

Geschichte der Cannabis-Medikamente in Deutschland

 

Mit der Genehmigung für Nabilon verdoppelte sich die Zahl der zugelassenen – und damit durch die Krankenkassen erstattungsfähigen – Fertigarzneimittel auf der Basis von Cannabinoiden in Deutschland ebenso wie die Gesamtzahl der Indikation für Cannabis-Medikamente auf jeweils insgesamt zwei.

 

 

Seit 2011 war Sativex mit der Indikation Spastiken bei MS als Ultima Ratio die einzige verfügbare Therapie bei der ein Cannabis-Medikament regulär über die Krankenkasse erstattet wurde.

 

 

 

Der wiederholte Versuch der Firma Bionorica eine Zulassung für das Fertigarzneimittel Kachexol mit dem Wirkstoff Dronabinol zu erhalten scheiterte Ende 2015 erneut. Das BfArM akzeptierte den Antrag als Generikum nicht, weil sich die Bioäquivalenzstudien nur auf das in den USA, aber aktuell nicht mehr der EU, zugelassene Marinol bezogen. Aktuell klagt Bionorica gegen die Entscheidung der Behörde. Der Monopolist für Dronabinol in Deutschland erhofft sich von Kachexol als „Blockbuster“ milliardenschwere Gewinne.

 

Zur Zielgruppe und den Indikationen von Kachexol wurden „insbesondere Krebs- und Aids-Patienten gegen Schmerzen“ genannt. Beim gescheiterten Zulassungsversuch für ein Dronabinol-Fertigarzneimittel vor einigen Jahren waren die geplanten Einsatzgebiete Aids, Krebs und Multiple Sklerose. Es wurden die Indikationen Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen bei Aids, Krebserkrankungen und Chemotherapie bei Krebs genannt.

 

Das synthetische Cannabinoid Nabilon

 

Das vollsynthetische Cannabinoid wurde seit seiner Patentierung 1975 als Analogon und ein Derivat von Dronabinol beschrieben. Die Forschungslage ist für dieses Cannabinoid bis heute eher überschaubar. In wie fern die angenommene enge Analogie zu THC, basierend auf einer Einschätzung aus der Urzeit der Cannabinoidforschung, korrekt ist, konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen. Insgesamt gibt es relativ wenig Forschung zu Nabilon, was angesichts seiner frühen Entdeckung und Vermarktung verwundert.

 

Nabilon fällt in Deutschland unter die Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes. Es ist damit auf einem Betäubungsmittelrezept verschreibungsfähig.

 

Die Wirkung von Nabilon

 

Seine Wirkung ähnelt der von Dronabinol, also THC. Es wird angenommen, dass die Nebenwirkungen bei Nabilon besser vorhersagbar sind. Zudem verursacht es als Nebenwirkung keine oder nur minimale Euphorie. Nabilon wird als stärker als Dronabinol beschrieben. Bei Angaben zur Dosierung lag Nabilon etwa um den Faktor 10 unter der Menge für Dronabinol.

 

Optimal wäre eine Einstiegsdosis von 0,25 mg beim Beginn der Therapie. Diese kann schrittweise gesteigert werden. Ein praktisches Problem ist hierbei: Auf den deutschen Markt kommt Canemes in Kapseln mit 1 mg Wirkstoff. Die Füllung der Gelatinekapsel ist pulverförmig und damit nicht gut teilbar. Als Tagesdosierung finden sich Werte von 0,25 bis zu insgesamt 6 mg Nabilon über den Tag verteilt.

 

Die Nabilon-Kapsel wird oral eingenommen. Der Wirkstoff wird über die Leber abgebaut und hat eine Halbwertszeit von 2 Stunden. Bei Tierversuchen stellte sich heraus, dass Hunde stärker auf Nabilon reagieren. Bei diesen Hunden kam es zu Todesfällen. Die gleiche Dosierung wurde von Affen über ein Jahr vertragen.

 

Das Medikament „Canemes“

 

Nabilon wurde 1975 von der Firma Eli Lilly patentiert, aber vier Jahre nach der Zulassung vom US Markt genommen. Aktuell wird es in Kontinentaleuropa als „Canemes“ und in Nordamerika und in Großbritannien als „Cesamet“ vermarktet. In Europa wird es konkret noch in Österreich, Belgien, Großbritannien und Spanien genutzt.

 

Hinter der aktuellen Markteinführung in Deutschland steht die österreichische Firma aop Orphan Pharmaceuticals AG. Ich konnte mich mit einem Vertreter der Firma im vergangenen Jahr austauschen und erhielt von ihm inzwischen die Nachricht, dass das Produkt seiner Firma seit dem 1.1.2017 offiziell verfügbar ist.

 

Aus dem Beipackzettel: Indikationsgebiet „Behandlung von chemotherapie-bedingter Emesis und Nausea bei jenen Krebs-Patienten indiziert, die auf andere antiemetische Behandlungen nicht adäquat ansprechen“

 

Eine offiziell zugelassene Indikation…

 

In Deutschland ist Nabilon ausschließlich als Ultima Ratio für Übelkeit und Erbrechen unter Chemotherapie (chemotherapy-induced nausea and vomiting, CINV) zugelassen. Jeder andere Einsatz ist „off-label“ und war damit bisher gehandicapt wie Dronabinol. Die Krankenkasse hätte eine Übernahme der Kosten für das Medikament nur in Ausnahmefällen oder nach Prozessen gestattet.

 

…neue Regeln für alle weiteren Induktionen…

 

Durch das neue Cannabis als Medizin-Gesetz jedoch wurden nicht nur für Cannabisblüten die Regeln geändert. Die neuen Bedingungen für eine off-label Nutzung gelten auch für standardisierte Extrakte, damit für Sativex, Dronabinol und Nabilon.

 

 

…daher lohnt es sich die gesamte Liste aller Einsatzgebiete von Nabilon aufzuführen:

 

Aufgrund der pharmakologischen Ähnlichkeit und Parallelen bei der Erforschung ähnelt die Liste der Indikationen der von THC.

 

– Anorexie und Kachexie / Wasting bei AIDS Patienten

– als Antiemetikum bei Übelkeit und Erbrechen unter Zystostatika oder Bestrahlungstherapie im Rahmen der Krebstherapie.

 

Durch das neue Gesetz ist die „ultima ratio“-Einschränkung bei der zugelassenen Induktion teilweise ausgehebelt.

 

– Glaukom

 

Diese Diagnose für Cannabis als Medizin im Allgemeinen hat sich explizit in den USA gehalten. Möglicherweise gibt es in Deutschland kaum Bedarf an Cannabis-Medikamenten bei dieser Diagnose weil die meisten Patienten von ihrer Krankenversicherung ein anderes, mindestens ebenso gutes Medikament bezahlt bekommen.

 

– Spastiken bei MS

 

Als mögliche Alternative zu Sativex.

 

– chronische und neuropatische Schmerzen

 

Diese Indikation ist eine weit verbreitete off-label Nutzung von Nabilon. Wie THC wird es als ergänzendes Schmerzmittel zu Opiaten eingesetzt. Hinweise auf eine Wirksamkeit gibt es zudem für Kopfschmerzen.

 

– Fibromyalgie

 

Für einige weitere Diagnosen gibt es Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit. Grundsätzlich kann bei jeder Diagnose bei der THC wirkt ein Therapieversuch mit Nabilon erwogen werden.

 

Auf PharmaNet.Bund sind die Fachinformation zu Canemes für Ärzte und die „Gebrauchsinformation für den Anwender“, vulgo der Beipackzettel nachlesbar.

 

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie Fachinformation sowie Beipackzettel und fragen einen Cannabis-kompetenten Arzt oder Apotheker. Dieser Artikel soll auf eine mögliche Therapieoption hinweisen. Bis auf weiteres wird der Vorschlag zu Nabilon als Therapie wenn von Patienten kommen müssen.

 

 

 

* Stichwort Wiederzulassung von Nabilon

 

Arzneimittel mit Nabilon hatten schon einmal bis 1991 in Deutschland ein Zulassung. Sie endete weil „der Zulassungsinhaber […] keinen Antrag auf Verlängerung der Zulassung gestellt.“ hat. Danach war Nabilon zwar noch im Einzelfall importierbar, war jedoch soweit mir bekannt in Deutschland bedeutungslos.

 

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2 Kommentare
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U-G
7 Jahre zuvor

Herzlichsten Dank Maximilian Pienert für diesen Beitrag.
Ihr leistet hervorragend gute Arbeit!!!
Das macht mir Mut, beim nächsten Termin, den Onkologen auf Nabilon anzusprechen.

Dieter Schmidt
7 Jahre zuvor

Im Namen aller Patienten, die Cannabis benötigen (ich gehöre nicht dazu) drängt es mich geradezu, euch für die großartige und erfolgreiche Arbeit zu danken! Für mich ist das Glas halb voll, nicht halb leer.
Ich habe heute mitbekommen, dass Georg im April in Reutlingen ist. Ich hoffe doch sehr, dass Zeit für einen kurzen persönlichen Kontakt bleibt.
Freundlichste Grüße
Dieter