Freitag, 10. Juni 2016

Ethnobotanische Giftspritzen – Teil 2

 

Angewandte Ethnopharmakologie

 

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Sternjasmin – Trachelospermum jasminoides

 

 

Markus Berger

 

In der Gruppe jener Pflanzen, die in unserer Klimazone nicht heimisch sind und aufgrund mangelnder Winterhärte im Kübel kultiviert und überwintert werden, existiert eine Reihe von giftigen Gattungen oder Arten. Die Gefahr, die von einigen dieser Pflanzen ausgeht, ist nicht immer auch bekannt. So enthalten beispielsweise der Granatapfel, die Gartenhortensie und auch der Brasilianische Korallenstrauch Wirkstoffe, die erhebliche Risiken bergen.

Die Eigenbehandlung mit selbstgemachten Pflanzenheil- und Rauschmitteln erfährt in dieser Zeit eine zunehmende Popularität, das Wissen um die natürlichen Medizinalien und deren nicht immer nur positive Wirkung ist hingegen nur sehr sparsam gestreut. Nachdem wir Euch in der letzten Ausgabe des Hanfjournals bereits die Australische Silbereiche, den Brasilianischer Korallenstrauch, die Gartenhortensie, den Granatapfelbaum und den Oleander vorgestellt haben, folg nun wie angekündigt der zweite Teil der Übersicht ethnobotanischer Giftspritzen.

 

 

 

Passionsblume, Passiflora sp.

Passifloraceae, Passionsblumengewächse

 

Passionsblume-Passiflora

 

Die Passionsblume kommt ursprünglich aus den tropischen Gebieten Mittel- und Südamerikas und ist ein immergrünes, windenartiges Schlinggewächs mit dreiteilig gelappten, drei-, fünf-, oder siebenfingrigen Blätter. Die sehr unterschiedlichen Blüten der über 500 Spezies umfassenden Gattung erscheinen, je nach Art, zwischen Mai und September.

 

Pflege:

Die Passionsblume benötigt ein durchlässiges und nährstoffreiches Substrat und einen vorzugsweise sonnigen Standort. Während der Wachstumsphase kräftig düngen und wässern, aber Staunässe vermeiden. Die Überwinterung sollte in einem hellen und kühlen Quartier erfolgen. Währenddessen darf das Substrat nie ganz austrocknen. Vermehrung ist über Stecklinge oder per Aussaat möglich.

 

Inhaltsstoffe:

Passiflora-Arten enthalten die Glycosylflavone Apigenin und Luteolin sowie Maltol, Cumarin-Derivate, Gerbstoffe, ätherisches Öl und andere Wirkprinzipien. Die Verbindung Luteolin hemmt im menschlichen Körper ein gewisses Enzym (die Monoaminoxidase = MAO), weshalb sie im Zweifel nicht zusammen mit bestimmten Lebensmitteln eingenommen werden darf (Stichwort MAO-Hemmer-Diät), zum Beispiel mit Alkohol, Fisch, Ananas, überreife Bananen und vielen weiteren. Allerdings ist Luteolin ein nur mild bzw. schwach wirksamer Hemmer der MAO vom Typ A, weshalb die Gefahr von solchen Kombinationen nicht überbewertet werden darf. Für empfindliche Personen gilt jedoch der präventive Tipp: Im Zweifel lieber die Finger davon lassen.

 

Die Passionsblume bekam ihren Namen von Papst Paul V. Dieser bezieht sich auf die Kreuzigung Jesu Christi, wobei der typische Kranz der Passiflora die Dornenkrone symbolisiert. Die zehn Blütenblätter stehen für die Apostel, ausgenommen Judas und Petrus.

Die Staubbeutel verglich der Papst mit den Wunden am Körper Christi, die drei Narben mit den Kreuzigungsnägeln. Das Gewächs wird als Heilmittel bei nervösen Unruhezuständen, Schlaflosigkeit, Verspanntheit, Depressionen, Reizbarkeit, Angstzuständen und Herzneurosen verwendet. Zubereitungen aus der Apotheke wirken beruhigend und schlaffördernd.

 

 

Sternjasmin, Trachelospermum jasminoides
Apocynaceae/Apocynoideae, Hundsgiftgewächse

 

Der Sternjasmin kann, weil er bedingt frosthart ist, in milderen Gegenden auch im Freiland gehalten werden. Für unsere Klimabedingungen ist aber die Kultur im Kübel empfehlenswert, die auch häufig vorgenommen wird. Das Gewächs stammt aus Ostasien und ist ein bis zu sechs Meter hoher und immergrüner Kletterstrauch. Er hat ovale und ledrige Blätter, der weiße Flor bildet sich von Mai bis September aus.

 

Pflege:

Der wenig anspruchsvolle Sternjasmin gedeiht in handelsüblichem Kübelpflanzensubstrat und sowohl an sonnigen als auch an halbschattigen und sogar schattigen Standorten. An sonnigen und entsprechend wärmeren Plätzen benötigt die Pflanze größere Wassergaben. Während der Überwinterung verlangt das Gewächs einen hellen, aber kühlen Raum und sollte nie ganz austrocknen. Vermehrung über Stecklinge oder per Aussaat.

 

Inhaltsstoffe:

Trachelospermum jasminoides enthält diverse Indolalkaloide, unter anderem – jedoch in nur geringer Menge – das psychedelisch wirksame Ibogain. Diese Verbindung verursacht in Überdosierungen Herzrasen, Übelkeit und Erbrechen, Zittern, Schweißausbrüche und Lähmungserscheinungen, bis hin zur Atemlähmung, die tödlich endet.

 

Der Wirkstoff Ibogain (ein entheogenes Tryptaminderivat) wurde zuerst in dem Hundsgiftgewächs Tabernanthe iboga entdeckt. Diese Art zählt zu den wichtigsten pflanzlichen Ritualdrogen und Zauberpflanzen Afrikas. Dem Sternjasmin, der Ibogain ohnehin nur in geringer Konzentration enthält, kommt eine solche Bedeutung aber nicht zu.

 

 

Wandelröschen, Lantana camara

Verbenaceae, Eisenkrautgewächse

 

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Das Wandelröschen kommt aus den tropischen Gebieten Süd- und Mittelamerikas, ist aber mittlerweile auch im südlichen Nordamerika sowie in allen tropischen und subtropischen Regionen der Welt anzutreffen. Lantana camara ist ein bis ein Meter hoher Strauch mit am Rande gekerbten, ovalen Blättern. Der von Juni bis in den September erscheinende Flor wechselt während der Blütezeit die Farbe und erscheint dementsprechend in weißlichen, gelben, rötlichen und lila Tönen. Daher auch der Name Wandelröschen.

 

Pflege:

Das Gewächs gedeiht in hochwertiger Kübelpflanzenerde besonders gut. Als Standort wählt man vorzugsweise einen hellen, warmen und sonnigen Platz. Während der Vegetationsperiode bedarf das Wandelröschen mäßiger Wasser- und Düngergaben. Damit die Pflanze dicht und buschig wächst, empfiehlt sich ein regelmäßiger Beschnitt. In der Überwinterung steht Lantana camara gern kühl und dunkel und darf nie ganz austrocknen. Vermehrung über Stecklinge.

 

Inhaltsstoffe:

Lantana camara enthält Triterpene, zum Beispiel Lantaden A und B sowie Icterogenin. Die reifen und unreifen Früchte sind besonders giftig und verursachen schwere Deliriumszustände und Leberschädigungen.

 

Weil die Pflanze sich besonders schnell ausbreitet, ist in Südafrika die Kultur im Garten verboten worden. In Brasilien und Afrika wird das Wandelröschen als Hustenmittel und Aromastoff verwendet.

 

 

Wunderbaum, Ricinus communis

Euphorbiaceae/Acalyphoidea, Wolfsmilchgewächse

 

Die Rizinuspflanze kommt aus Afrika, wird aber wegen der kommerziellen Gewinnung des Rizinusöls heute in vielen Ländern angebaut. Der Wunderbaum ist ein bis zu vier Meter hohes Gewächs mit lang gestielten, handförmig geteilten Blättern. Wegen seiner Größe wird der Wunderbaum häufig nur einjährig kultiviert. Er kann aber bei entsprechender räumlicher Möglichkeit auch überwintert werden.

 

Pflege:

Der Wunderbaum gedeiht besonders gut in einem humosen und nährstoffreichen Substrat. Er bevorzugt einen sonnigen und warmen Standort. Während des Wachstums regelmäßig, aber nicht zu kräftig düngen und wässern. Eine Staunässe ist unbedingt zu vermeiden. In aller Regel wird Ricinus communis in unseren Breitengraden als einjährige Pflanze kultiviert. Sie kann aber durchaus überwintert werden. Dann benötigt der Wunderbaum ein nicht zu kühles Quartier und darf niemals ganz austrocknen. Die Vermehrung geschieht vorzugsweise per Aussaat.

 

Inhaltsstoffe:

Ricinus communis enthält das hoch giftige Protein Ricin. Ganz besonders gefährlich sind die Samen der Pflanze. Bereits bis zu drei Samen können für Kinder und bis zu fünfzehn Samen für Erwachsene tödlich sein.

 

Schon der Kontakt mit den Ricinus-Samen kann allergische Reaktionen auslösen. So beispielsweise das Tragen von afrikanischen oder indischen Rizinusketten. Das bekannte Rizinusöl ist ein stark wirksames Abführmittel, enthält aber kein Ricin.

 

 

Literatur:

 

Berger, Markus 2004. Handbuch für den Drogennotfall. Solothurn: Nachtschatten-Verlag

 

Foster. S.; Duke. J. A. 1990. A Field Guide to Medicinal Plants. Eastern and Central N. America. Houghton Mifflin Co.

 

Frohne, Dietrich; Pfänder, Hans Jürgen 2004. Giftpflanzen. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

 

Hunnius, Curt 1998. Pharmazeutisches Wörterbuch. Berlin/New York: De Gruyter

 

Rätsch, Christian 1998. Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Aarau: AT Verlag

 

Roth, Daunderer et Kormann 1994. Giftpflanzen – Pflanzengifte. Sonderausg., Hamburg: Nikol Verlagsgesellschaft

 

Wichtl, Max (Hg.) 2002. Teedrogen und Phytopharmaka. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

 

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