Freitag, 20. November 2015

Der Kinderschreck von Moskau

von Sadhu van Hemp

 

Grafik: Lukas Tkotz
Grafik: Lukas Tkotz

 

Auch in Russland gibt es „besorgte Bürger“, die Probleme mit allem haben, was nicht in ihr Weltbild passt. Doch anders als bei uns, wo sich Dummheit mit Feigheit paart, fühlen sich in der russischen Gesellschaft jene Saubermänner zum Großreinemachen berufen, die zur Elite gehören. Und das sind vor allem die wirklich harten Jungs, die sich liebevoll um „Mütterchen Russland“ kümmern und ihre Frauen mit Gold behängen und in Pelze einwickeln.

 

Einer dieser Super-Machos ist Dmitry Nosov (35), der für die nationalkonservative „Liberal-Demokratische Partei“ in der „Duma der Russischen Föderation“ sitzt und als Hinterbänkler von seinen Meriten als einmaliger Olympiateilnehmer lebt. Um nicht gänzlich in der Versenkung zu verschwinden, übt sich Nosov vornehmlich darin, als sogenannter „Anti-Dealer“ den Schwächsten der Schwächsten medienwirksam auf den Zahn zu fühlen.

 

Letztes Opfer dieser als Rollkommandos auftretenden „Anti-Dealer“ war das Festival für aktivistische Kunst „MediaUdar“ – eine unabhängige Plattform für russische und internationale Künstler, Aktivisten und Philosophen, die seit 2011 in Moskau Vorträge, Diskussionen und Workshops durchführt, aber auch Rockkonzerte, Kinoabende und Kinderveranstaltungen anbietet. Grund der „Anti-Dealer“-Attacken war das Projekt „Narcophobia“, das sich für eine humane Drogenpolitik in Russland und die Entkriminalisierung der Konsumenten einsetzt. Am 4. November fiel das martialisch auftretende Rollkommando das erste Mal ein, inspizierte das Info- und Präsentationsmaterial und sondierte das Feld für den zweiten Überfall drei Tage später. Die Absicht der „Anti-Dealer“ war die Inszenierung eines Skandals, begleitet von den staatstreuen Fernsehsendern „Rossia“ und „REN-TV“, die dem Abgeordneten Nosov bei seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Anti-Drogen-Krieger über die Schulter schauten. Dass die Medien nicht der Einladung der Veranstalter des Festivals, sondern erst der des „Anti-Dealer-Rollkommandos“ folgten, spricht für sich.

 

Und so kam es, wie es kommen musste. Nosov und seine „harten Jungs“ stürmten am 7. November während eines Vortrags über moderne Kunst für Kinder (!) die beengten Räume, beschuldigten die Organisatoren im Kasernenhofton, sie würden Minderjährige zum Drogenkonsum verführen, und riefen sogleich die nächste Putzkolonne – diesmal die von der Polizei. Und die stand längst vor der Tür Gewehr bei Fuß, um die von den „Anti-Dealern“ gewünschten Anzeigen aufzunehmen. Höhepunkt des Überfalls war die von Fernsehkameras begleitete Störung der Konferenz zum Thema „Psychiatrie“, wo nicht wenige Patienten, die bereits schlimme Gewaltexzesse erfahren haben, erneut traumatisiert wurden.

 

Das Ende vom Lied war der Abbruch des Festivals, da die Miliz unmissverständlich zu verstehen gab, bei Fortführung nochmals einzureiten. Das Lumpenpack der „Anti-Dealer“ hat gesiegt, die Anzeigen sind geschrieben und die Staatsanwälte werden so entscheiden wie immer – zu Ungunsten der alternativen Kunstszene.

 

Nun denn – unser Sportsfreund Nosov kann jubeln. Gönnen wir ihm den Triumph, dem Ex-Polizisten, der den typischen Polizeisport Judo erlernt hat, aber in dieser Disziplin trotz russischen Staatsdopings nie über einen dritten Platz hinausgekommen ist. Als ewiger Bronzemedaillengewinner gehört der Schmock in die Kategorie der „Versager“, der auf seine alten Tage nichts weiter fertigbringt, als Kinder zu erschrecken.

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2 Kommentare
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Christoph Rossner
8 Jahre zuvor

Was will man auch von einem alkoholliebhabenden christlich-orthodoxen Fundamentalisten anderes erwarten? Solange die Russen so saufen, wird die Drogenpolitik weiter wie bei uns in den 70ern sein!LG

Lars Rogg
8 Jahre zuvor

Mittelalterlich !!! Aber habens mit alternativ denkenden Künstlern eh ein Problem. Kürzlich erst haben die Orthodoxen eine Ausstellung gestürmt und alles zerstört das nicht in ihr “moralisches” Weltbild passt. Da ging es um stilisierte Geschlechtsorgane. Die ebenfalls wartende Polizei hat nicht die Randalierer verhaftet, sondern, wie oben, die Ausstellungsmacher angezeigt und verhört sowie verhaftet. Putin und seine seltsam zurückgebliebenen Gestalten (s. Nachtwölfe) müssen sich bei der Kirche lieb Kind machen. Die hat einen pervers hohen Einfluss auf die dortige Gesellschaft. Religionen und deren Anhänger waren mir schon immer ein Greul. Das Ergebnis zeigt sich nicht nur in Anschlägen von behinderten, verblendeten Muslimen, sondern auch in christlich fubdamentalistischen Organisationen wie der Teaparty oder eben orthodoxen, faschistoiden Christen in Mütterchen Russland. Die… Weiterlesen »