Montag, 20. April 2015

Verbrechen ohne Schuld

von Sadhu van Hemp 

 

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Ist es ein Verbrechen, im Anti-Hanf-Krieg aktiven Widerstand zu leisten und sein Leben der heroischen Aufgabe zu widmen, dafür zu sorgen, dass auf deutschem Boden nie wieder ein Joint ausgeht? Dieser Frage stellte sich unserem Graswurzel-Reporter Sadhu van Hemp erst gar nicht, als ihm ein Besucher gemeldet wurde, hinter dem der lange Arm des Gesetzes her war.

 

 

Da stand er vor mir, mein alter Kumpel, mit dem ich einst die Schulbank drückte. Vier endlose Jahre haben wir uns in einem katholischen Internat mit Latein, Griechisch und perversen Priestern herumgequält – und wir waren dickste Freunde, der Wieland und ich. 1969 verlief sich jedoch unsere Freundschaft, da wir beide wegen Haschkrümelbesitzes der Schule verwiesen worden waren und fortan nicht mehr dieselbe Lehranstalt besuchten. Alle Jubeljahre begegneten wir uns auf Partys oder Konzerten, und ich war durchaus im Bilde, dass Wieland nach dem Abitur in den Haschischhandel eingestiegen war und seitdem die Hälfte seiner Jahre hinter schwedischen Gardinen verbracht hatte. Kurz gesagt, Wieland war ein Pechvogel, ein Unglücksrabe, der zeit seines Lebens mit den falschen Leuten verkehrte und noch jedes Mal auf die Fresse gefallen war, wenn es um einen Big Deal ging.

 

„Du musst mir helfen, Keule!“, begrüßte mich der alte Freund. „Die ganze Welt ist hinter mir her! Hast du schon von dem Großbrand gehört? Das war ich!“ Er warf sich in meinen Schreibtischsessel, drehte sich zum Fenster und zeigte auf die Rauchschwaden, die am Stadtrand den blauen Äther verdunkelten. „Ich habe eine ganze Wohnsiedlung niedergebrannt. War aber unabsichtlich. Wollte ich nicht. Hoffentlich ist niemand zu Schaden gekommen.“

 

Da war sie also wieder mal am Dampfen, die Kacke, und wie immer lag es an mir, diese zu beseitigen. Doch shit happens – ich machte uns erst einmal einen Kaffee und ließ mir in aller Ruhe das Problem schildern.

„Also, das war so“, hob der mittlerweile glatzköpfige Rastamann an, während er eine Tüte wickelte. „Als ich vor zwei Jahren aus der Kiste kam, wollte ich ja erst sauber bleiben. Du weißt ja, dass ich beim letzten Mal nur knapp der Sicherungsverwahrung entronnen bin.“ Er klebte den Joint zu und ich gab ihm Feuer. „Mir war das Risiko mit dem Grow schon bewusst. Als dann aber das Angebot kam, eine komplett installierte Anlage mit tausend Pflanzen zu betreuen, konnte ich nicht ablehnen. Das Setting stimmte, und die Legende des menschenscheuen Rentners, der in einem Einfamilienhäuschen auf den Tod wartet, war absolut glaubhaft. Abgesprochen war, dass die ersten beiden Ernten den Kompagnons gehören und die dritte mir zusteht. Zwei fette Ernten mit jeweils rund hundert Kilo habe ich eingefahren, und nichts deutete daraufhin, dass an dem Deal etwas faul ist. Vor ein paar Wochen allerdings geschah das Undenkbare: Ich saß gerade auf der Bank vor dem Haus, genoss die Nachmittagssonne und träumte von der Sause, die ich mir von meinem Gewinn zu leisten beabsichtigte, als plötzlich so eine Rotznase aus der Nachbarschaft vor mir steht und fragt: ‚Wird dich die Polizei auch erschießen?’ Ich sag dir, Bruder, mir ist so was von das Herz in die Hose gerutscht. Ich habe dem Bengel dann ein bisschen auf den Zahn gefühlt, und schließlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, als ich Eins und Eins zusammenzählte. Ich saß mittenmang im Wespennest, denn das Haus, in dem ich da so lustig vor mich hin gärtnerte, steht in einer Siedlung, in der nur Polizistenfamilien wohnen. Ich war von Bullen umzingelt. Doch der Hammer war, als mir der Knabe erzählte, dass die Polizei einmal im Jahr nach dem Rechten sieht und beim letzten Mal sogar jemand erschossen hatte. Ich habe das dann über die Zeitungsarchive recherchiert – und wirklich: Insgesamt gab es dort in den letzten fünf Jahren drei Razzien – und jedes Mal haben die Gärtner entweder das Polizeisonderkommando oder die Untersuchungshaft nicht überlebt. Folglich wurden die Busts gerichtlich auch nie aufgeklärt. Diese korrupten Bullenschweine haben die Gärtner wie Sklaven gehalten und nach getaner Arbeit einfach liquidiert. Stell dir das mal vor! Um ein Haar hätte es mich erwischt!“

 

Wieland nahm einen kräftigen Zug, bevor er mir den Joint reichte, sah zum Fenster und fuhr fort: „Und jetzt habe ich alles abgefackelt. War aber wirklich nur aus Versehen. Mein Plan war eigentlich, meine Ernte diesen Mordbuben nicht zu überlassen. Also, habe ich mir einen Transporter gemietet und meine hundert Kilo verladen. Na ja, und da ich gerade noch etwas sauer war, dachte ich, richte ich noch ein bisschen Schaden im Haus an. Eigentlich wollte ich es ja beim Aufdrehen der Wasserhähne belassen, nachdem ich die Einrichtung zerlegt hatte. Als ich dann aber im Keller vorm Gashahn stand, kam es halt über mich. Dass der Bums aber auch gleich die ganze Siedlung in Mitleidenschaft zieht, das war so nicht geplant. Habe ich mal eben ein paar Dutzend Polizeifamilien obdachlos gemacht. Schiete auch!“

Wieland sah mich halb verzweifelt, halb fordernd an. „Du musst mir aus dem Schlamassel heraushelfen, Keule! Wenn die mich kriegen, kann ich mich gleich in der Zelle am Bettpfosten aufknüpfen. Die lassen mich nie wieder raus, wenn die mich nicht schon vorher ausknipsen. Du weißt, wir leben hier in einem Polizeiterrorstaat – und mit dessen Bütteln habe ich mich gerade aufs Heftigste angelegt, würde ich mal meinen. Schalt mal die Glotze ein! Die suchen mich bestimmt schon über ‚Aktenzeichen XY … ungelöst’!“

 

Ja, das konnte gut sein. Das Erste, was mir als lebensrettende Sofortmaßnahme einfiel, war, bei der Boulevardpresse anzurufen und eine falsche Fährte zu den bösen Moslems zu legen. Aber diese Finte verwarf ich sogleich, als mich Wieland fragte, ob es mich stören würde, den Transporter vorläufig bei mir zu Hause auf dem Grundstück abzustellen.

„Nein, so geht das nicht, Wieland!“ Mir war klar, dass der Tölpel nicht nur eine Gefahr für mich, sondern für die ganze Menschheit ist. „Wir müssen eine dauerhafte Lösung für dich finden. Dich kann man doch nicht mehr frei herumlaufen lassen. Und das weißt du auch, Kamerad!“

„Ach, das klappt schon irgendwie“, verkannte Wieland den Ernst der Lage. „Erstmal tauche ich bei dir unter, dann verkaufe ich das Dope… und dann machen wir einen auf Palme und lassen die Puppen tanzen.“

„Vergiss es“, gab ich zurück, als würde ich mit einem Halbwüchsigen sprechen. „Dich kann man nicht mehr unter Menschen lassen. Das dauert keine 24 Stunden, und dann haben sie dich. Und was dir dann blüht, wollen wir uns mal nicht ausmalen.“

 

Doch wo kann man einen verrückten Rastamann bis zu seinem Lebensende verstecken, ohne dass es auffällt? Ich überlegte hin und her, sah mich schon mit dem Knaben in einer einsamen Waldhütte irgendwo am Ende der Welt. Ich erwog eine Flucht nach Nord-Korea, oder ein Exil in Putinesien. Doch je weiter ich schweifte, desto utopischer wurden die Fluchtpläne. Wieland brauchte einen Ort in der Heimat, wo er unter Gleichgesinnten abgeschottet von der Außenwelt seinem Hobby nachgehen konnte – und dieses Plaisierchen war nun mal sein unerschütterlicher Glaube an den Rastafarianismus und dessen praktische Anwendung.

„Wieland, Bruder“, platzte die Erleuchtung aus mir heraus. „Ich hab’s! Ich weiß, wo du auf unbestimmte Zeit untertauchen kannst. Dort kannst Du auch für das sühnen, was du den armen Polizisten und deren unschuldigen Familien angetan hast. Erinnerst du dich an Ludger? Zu dem fahren wir jetzt. Der schuldet mir noch einen Gefallen, der olle Kiffkopp.“

 

Zwei Stunden später waren Wieland und der Transporter wie vom Erdboden verschluckt – und das mitten in unserem schönen Vaterland. Die Polizei fahndet bis heute mit Hochdruck nach dem Berufsschwerverbrecher, doch selbst die Spur, die zu mir führte, verlief im Sande – trotz Beugehaft, in die ich kurzzeitig genommen wurde.

Nein, Wieland muss nichts mehr befürchten, denn dort wo der gläubige Rastafari untergekrochen ist, gibt es nur gute Christenmenschen. Zwar huldigen diese Brüder nicht Wielands Propheten, aber zumindest demselben Gott. Somit war es für Ludger, unserem alten Leidensgenossen aus Internatszeiten, oberste ökumenische Christenpflicht, Wieland und den hundert Kilogramm des Heiligen Krauts im Kloster seines Benediktiner-Ordens Asyl zu gewähren. Und wie ich Wieland einschätze, werden schon bald in den Katakomben des Gemäuers die Lampen angehen – bis es dann wieder einmal heißt: „Du musst mir helfen, Keule!“

 

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12 Kommentare
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Lars Rogg
8 Jahre zuvor

Schöne Geschichte zum 420 Tag…könnte fast wahr sein 🙂

Blub
8 Jahre zuvor

Zitat: “Habe ich mal eben ein paar Dutzend Polizeifamilien obdachlos gemacht. Schiete auch!“

So was aber auch, da bin ich aber traurig! 🙂

Gasterl
Antwort an  Blub
8 Jahre zuvor

Diesen unterschwelligen Polizistenhass verstehe ich nicht, kann ihn nicht nachvollziehen und auch nicht gutheissen!
Die Polizisten handeln nach Vorgaben. Tun sie das nicht, bekommen sie Probleme. Ganz einfach. Beschweren Sie sich lieber bei der Legislative! Wenn diese andere Vorgaben gibt, dann kann die Exekutive ihre Arbeit richtig machen – und das auch Bürgernah!
Aber Menschen, die ständig über die Polizei herziehen sind die ersten, die bei einer Kleinigkeit die Damen und Herren in Grün/Blau anrufen.

Ronja
Antwort an  Gasterl
8 Jahre zuvor

Genau, die Polezei sind die Guten! Sind alle unsere Freunde und Helfer!

Lars Rogg
Antwort an  Ronja
8 Jahre zuvor

Ironie ist was schönes 🙂

Lars Rogg
8 Jahre zuvor

@Gasterl

sicher sind nicht alle Bulleristen gleich, aber es gibt durchaus auch ein paar übermotivierte. Muss wohl kaum an Burghausen erinnern..oder??

Gasterl
Antwort an  Lars Rogg
8 Jahre zuvor

Die sind aber meist nicht von selbst übermotiviert. Zwei meiner Schulfreunde wurden Polizisten – beide haben mittlerweile quittiert. Ihnen waren die Vorgaben von Oben zu stingent! Die konnten das mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren. Es wurden beispielsweise Quoten am Morgen ausgegeben, welche Delikte sie in welchem Maße an diesem Tage zu ermitteln hätten – ungeachtet dessen, ob die Delikte tatsächlich gemacht wurden. So wurden sie genötigt oftmals viel schärfer vorzugehen, als es normalerweise der Weg wäre. Die Quote muss erfüllt werden.
Dass einige der Uniformierten beim Anziehen der Uniform zu – sagen wir mal – ganz komischen Persönlichkeiten werden ist unbestreitbar. Aber die Vorgaben kommen von Oben.

Leto 420
8 Jahre zuvor

So, hab mir extra ein wenig Citrus-Haze (alkoholfrei 🙂 ) aufgehoben, denn gleich wird gefeiert! 🙂 🙂 🙂

Ich bin so stolz mitzumachen bei den lieben HanfrebellInnen. FreundInnen4ever. 😉 🙂

Seite 141 ist NUR für EUCH meine Liebsten Hanffreundinnen und Hanffreunde. SWchön, dass es EUCH gibt. Danke. 🙂

http://workupload.com/file/MLe4gWCe

Lars Rogg
Antwort an  Gasterl
8 Jahre zuvor

Die Vorgesetzten, also die “oben”, sind doch auch Polizisten. Das nicht alle so sind glaub ich dir, aber die meisten haltens wie Nazischergen. Befehl ist Befehl und das wird auch ausgeführt. Also ich mach mir noch immer mehr Sorgen wegen den Bullen als wegen der Organisierten Kriminalität. Die haben schließlich keine Quoten. Das Du so charaktervolle Freunde hast freut mich ehrlich, schließlich muss man sich das gut überlegen ob man seine Kariere einfach so aufgibt (mit Rentenansprüchen,etc…). Aber den meissten käme das wohl nicht in den Sinn. Ändert also nicht viel an meiner Meinung…

für Emmely
Antwort an  Leto 420
8 Jahre zuvor

Verbrechen? ohne Schuld? 🙁

Kleine Geschichte die mich sehr berührt hat: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/verdient-gewonnen?utm_content=bufferf57c7&utm_medium=social&utm_source=facebook.com&utm_campaign=buffer

Emmely ich liebe Dich. Ruhe sanft und zart in der Unendlichkeit. Habe eine Kerze für Dich (und andere … deren Namen und Geschichte ich nicht kenne) angezündet. Bin still und friedlich. Danke Dir. Schön, dass es Dich gegeben hat. Ruhe sanft. Wir schlafen nur. Wir schlafen nur … Ruhe sanft, meine liebe Schwester. Wir schlafen nur …

Mutter Universum

mr tola
Antwort an  Gasterl
8 Jahre zuvor

ich muss gleich an die nazi Polizei denken.die gestapo hat sich auch nur an bestehende Gesetze gehalten.alles eine brut.

für meine Lieben
Antwort an  für Emmely
8 Jahre zuvor

Alder, ich will da internationale Presse und Fernsehen vor Ort haben. Weedstorm³! Das muss in ganz Eurasien Solidaridät erzeugen. 🙂 Alder, Freunde, Danke. 😉

https://de-de.facebook.com/CC.e.V.Koeln/photos/a.244481015660803.49671.230654480376790/718652314910335/?type=1

PS Ich liebe die Leute, die das Plakat “verbrochen” haben. Sind keine Verbrecher. Echt … (ganz treu guck) ehrlich. Sind ganz doll liebe und Gute … Männer und Frauen. Ich mag die sehr. 🙂 Schönes Plakat. Gute Gestaltung. Klasse Arbeit. Respekt. 🙂 … und DANKE! 🙂 für die Geduld … 😉 und guten Gespräche.